Dienstag, 9. Oktober 2018
Vier Spiele sieglos – Ist der FC Bayern wirklich in der Krise?
Steckt der FC Bayern nach dem Debakel gegen Borussia Mönchengladbach endgültig in der Krise oder ist es nur, wie von vielen Leuten behauptet, ein schlechte Phase, die jede Mannschaft während einer langen Saison durchlebt?

Kaum läuft es nicht, wird auch schon die Trainerfrage gestellt, ob Kovac überhaupt noch der Richtige ist für diesen Job beim deutschen Rekordmeister. Nichtsdestotrotz könnte man sagen, dass schwächelnde Bayern für die Bundesliga ein Segen sind. Das würde jeder sagen, der kein Bayernfan ist. Aber ich möchte gern analysieren, woran es denn liegt und ob die „Krise“ wirklich so schlimm ist.

Klar ist, wer verliert, macht Fehler oder hat Fehler gemacht. Schuld daran ist nicht ein Spieler oder ein Teil der Mannschaft – es ist meist eine Fehlerkette, die zudem führt, was wir heute haben. Der FC Bayern ist aktuell Tabellensechster und es werden Erinnerungen an letzter Saison wach, als Carlo Ancelotti seine Segel streichen musste wegen Erfolgslosigkeit.

Fakt ist: Der aktuelle Ballbesitzfußball des deutschen Meisters ist zu langsam. Es gibt keine Ideen und Kreativität – und das beginnt leider schon im Spielaufbau. Angefangen beim Musterschüler von Jupp Heynckes: Javi Martinez. Er bringt Stabilität ins defensive Spiel und führt seine Zweikämpfe meistens hart und fair. Dank dieser Fähigkeiten ist er in großen Spielen unersetzbar bei den Bayern, aber er hat ein großes Manko. Im Spielaufbau kommt leider von ihm zu wenig, so dass „Allrounder“ Thiago ihm zur Hilfe kommt. Wenn Thiago jetzt allerdings hinten aushelfen muss, fehlt er als Anspielstation in der Offensive und somit kann er seine größte Stärke gar nicht ins Bayernspiel einbringen: die Pässe in die Schnittstelle. Damit geht bei den Bayern häufig nichts durch die Mitte.

Der zweite gravierende Punkt, der in diesen Tagen doch häufig auffällt, ist die fehlende Flügelzange. Vor ein paar Jahren hatte der FC Bayern noch die gefährlichsten Flügelflitzer Europas, die dieses Defizit in der Mitte locker ausgebügelt hätten. Ich möchte jetzt auch nicht den Grund dafür in ihrem doch fortgeschrittenem Alter suchen, aber es fehlt das Tempo. Mit den meisten Gegnern in der Bundesliga kann Robbery noch mithalten, aber man sieht, dass es ihnen schwerer fällt als noch vor ein paar Jahren. Dazu kommt, dass man das Flügelspiel der Münchner im Moment sehr schnell durchschauen kann. Die Außenverteidiger kommen mit nach vorne und überlaufen dabei immer den Flügelspieler. Überraschungen? Fehlanzeige! Auch hier fehlt das nötige Tempo.

Schon lange wird vom Umbruch gesprochen, aber Fakt ist, dass in wichtigen Spielen zumeist die erfahrenen Spieler beginnen. Der Altersdurchschnitt gegen Ajax Amsterdam lag bei ca. 30 Jahren. Anstatt die „jungen Wilden“ ranzulassen, spielen die eher „alten Hasen“. Die Frage ist: Warum passiert jetzt kein Umbruch? Ein Grund ist die Verletzungsmiserie, denn mit Kingsley Coman und Corentin Tolisso fehlen zwei Spieler, die ein Eckpfeiler der „neuen“ Bayern hätten sein können. Aber wenn man ehrlich ist, lieber jetzt als in der heißen Phase der Saison, wenn es um die Titelvergaben geht. Ein zweiter Grund ist, dass die Neuzugänge Goretzka, Gnabry und auch Sanches zähle ich dazu, einfach häufig auf der Bank sitzen. Eventuell soll sie nicht verheizt werden. Gnabry kommt gerne aus der Tiefe und bringt im Gegensatz zu Ribery Dynamik ins Spiel. Er ist aber sehr verletzungsanfällig, wie auch Goretzka. Er war auch schon häufig angeschlagen. Der Kader ist klein und deshalb muss man mit seinen Ressourcen haushalten, um nicht unnötige Verletzungen zu riskieren. Dazu kommt, dass Goretzka als auch Gnabry sich erstmal an das Leben beim FC Bayern gewöhnen müssen.

Wie gesagt, der Kader ist klein, so dass alle Spieler ihre Einsatzzeiten bekommen werden. So auch der schon als „Transferflop“ abgestempelte Renato Sanches. In seinem zweiten Anlauf bei den Bayern scheint er es nun endlich geschafft zu haben. Seine Stärke ist diese immense Wucht, mit der er durch die Mitte in Richtung Tor zieht. Wenn es denn durch die Mitte Impulse gibt, dann meist durch ihn. Klar, er kann mit seinen 21 Jahren noch nicht alles perfekt machen und er müsste noch an seiner Übersicht, seinem Torabschluss, seinem Spielverständnis und seinem Positionsspiel arbeiten, aber dazu braucht er Spiele über 90 Minuten und die scheint er jetzt erst zu bekommen.

Aber ist der Kader wirklich zu klein? „Wer auf drei Hochzeiten tanzt, der braucht mehr Spieler!“, so die meisten Kritiker. Das ist meiner Meinung nach nicht ganz richtig, denn es werden immer genügend Topspieler fit sein, die aufgestellt werden können. Der Kader wird dann durch Talente aus dem Jugendbereich aufgefüllt. Aber diese werden dann zumeist in der Bundesliga zum Einsatz kommen, wenn alles entschieden ist. Alle fordern, dass endlich mal wieder ein neuer Schweinsteiger oder Lahm in der Profimannschaft auflaufen muss. Um sich zu ausreichend zu entwickeln, brauchen auch diese Spieler Spielzeit und wenn nicht jetzt, wann dann?

Der Schlüssel zum Erfolg könnte also die Rotation sein. Schon jetzt rotiert Kovac vor jedem Spiel kräftig und muss sich auf Grund der fehlenden Punkte auch in diesem Punkt Kritik anhören lassen. Pro Spiel drei bis sechs Änderungen ist schon sehr viel, so dass die Balance in gewisser Weise fehlt. Das ist logisch, denn der Mannschaft fehlt unter dem neuen Trainer die Routine, die aber mit der zunehmenden Anzahl der Pflichtspiele bestimmt noch kommen wird.

Es gibt aber auch noch weitere Gründe, die den Bayern das Leben im Moment sehr schwer machen. Kovac hatte bereits die fehlenden Basics wie das Anlaufen oder das Zweikampfverhalten angesprochen. Manchmal ist es aber auch einfach wie verhext. Auch dem besten Spieler unterlaufen manchmal individuelle Fehler, die im Moment gnadenlos ausgenutzt werden. Gegen Hertha reichten zwei Fehler, die zu zwei Gegentoren führten. Gladbach macht aus „zwei Chancen drei Tore“, krass ausgedrückt.

Man merkt also, dass einiges schiefläuft, aber trotzdem bin ich noch sehr optimistisch, dass man doch noch alle Ziele erreichen kann. Grund dafür ist Niko Kovac. Der Kroate ist in meinen Augen sehr intelligent, redegewandt und in gewisser Weise instinktiv, was dem Rekordmeister vielleicht guttut. Er kann gut mit den Spielern und weiß sie auf den Punkt zu motivieren, bestes Beispiel Renato Sanches in Lissabon oder Leon Goretzka auf Schalke. Neben der Motivation bringt er den Spielern aber auch neue Dinge bei. Die Konter und Standardsituation sowie das Gegenpressing sind besser geworden, aber Neuerungen brauchen Zeit. D.h. jeder Spieler muss auch den „Kovac“-en Fußball verstehen und verinnerlichen, auch das braucht Zeit. Eventuell wäre etwas mehr Geduld das richtige Mittel.

Bei den Bayern läuft es immer im „Schwarz-Weiß-Prinzip“ ab. Sieben Siege in sieben Pflichtspielen: alles ist rosarot und alle lieben sich. Ende September reihten sich Lobenhymnen aneinander, eine Woche später ist die Rede von einer Krise - ratloser Trainer, Spieler unzufrieden u.v.m. Davon sind aktuell die Medien voll. Es ist aber nur alles heiße Luft. Der FC Bayern hat trotz der vielen Siege einfach nur Startschwierigkeiten, die eher als Weckruf anstatt als Krise angesehen werden müssen.

Gebt dieser Mannschaft, diesem neuen Trainerteam, diesen jungen Spielern einfach nur die nötige Zeit, diese Fehler abzustellen. Lieber jetzt die „Durststrecke“ und nicht erst im März oder April!

#MiaSanMia

... link (1 Kommentar)   ... comment